Dass der meiste Platz in der Stadt dem Auto gehört, war nicht immer so und wird auch nicht immer so bleiben. Anfang des 21. Jahrhunderts gibt es über 1 Milliarde Velos auf der ganzen Welt. Im Jahr 2016 befanden sich zum ersten Mal mehr Velos als Autos auf den Strassen Kopenhagens.
Die Erfindung des Velos hatte eine grosse Auswirkung auf die Gesellschaft. Sie veränderte den Alltag vieler Menschen. Die Erfindung des Velos beschleunigte auch die Entwicklung des Autos. Viele Ideen konnten nämlich für das Auto übernommen werden, zum Beispiel die Kugellager, Luftdruckreifen, die kettengetriebenen Zahnräder sowie die Räder mit Speichen.
Aus der Velo-Kultur wurde Ende des 19. Jahrhunderts das Automobil entwickelt. Das Velo prägte lange das Stadtbild, bis es vom Automobil verdrängt wurde. Heute ist das Auto das meistgenutzte Fahrzeug in der Schweiz. Die Verkehrseinrichtungen und -anlagen haben sich stark verändert und sich dem Aufkommen der Autos angepasst.
Die Bevölkerung in Städten wie Amsterdam und Kopenhagen hat in den 70er-Jahren gegen die aufs Auto ausgerichtete Stadtplanung protestiert. Es gab sehr viele Verkehrsunfälle mit Kindern. Als Folge wurde die Veloinfrastruktur zügig und sicher ausgebaut. Kopenhagen verfügt heute über deutlich mehr Velofahrer:innen als Autofahrer:innen.
Mikael Colville-Andersen, ein kanadisch-dänischer Stadtplaner, hat sehr schön aufgezeigt, wie sich die Verkehrsinfrastruktur entwickelt hat (Mikael Colville-Andersen 2018). Die Grafik “A short history of traffic engineering” zeigt diese Veränderungen deutlich. Um 1800 war man nur zu Pferd- oder zu Fuss unterwegs. Die Wege waren kurz und direkt. Ab 1900 kamen das Velo und der Bus dazu. Während das Velo dieselben direkten und kurzen Wege wie die Pferde und Fussgänger nutzen konnte, brauchte es für die Busse eine Linienführung mit wenigen Verzweigungen.
1920 wurde das Auto auf den Strassen der Städte präsenter. Aber noch waren die Strassen nicht aufs Auto ausgelegt. Ganz anders ab 1950. Die Verkehrsplanung richtete sich ganz nach den vielen aufkommenden Autos. Die Wege für die anderen, langsameren Verkehrsteilnehmenden wurden verzwickter oder fehlten ganz. Zudem lösten grosse Einkaufszentren ausserhalb der Stadt die kleinen Geschäfte in der Innenstadt ab. Wie kam man am besten zu diesen Einkaufszentren? Natürlich mit dem Auto. Denn das Auto konnte in kurzer Zeit lange Strecken zurücklegen. An diesem Punkt der Entwicklung stehen heute die meisten Städte.
Jedes Verkehrsmittel benötigt unterschiedlich viel Raum. Fussgänger:innen brauchen am wenigsten. Ein Velo braucht schon mehr als die Fussgänger:innen. Und ein Auto beansprucht im Vergleich zum Velo und dem Tram noch einmal mehr Raum.
Zwar haben in einem Auto mehr Personen Platz. Zählungen haben aber ergeben, dass Autos längst nicht immer so viele Personen mitführen, wie sie Plätze haben. Zu Stosszeiten sitzen gerade mal 1,1 Personen in einem Auto. Für diese Tatsache gibt es den treffenden englischen Ausdruck ‘Arrogance of Space’ (Colville-Andersen 2018). Man könnte ihn etwa so übersetzen: ‘Die Frechheit, übermässig viel Raum einzunehmen’.
67% der Autofahrer:innen in Kopenhagen wünschen sich den weiteren Ausbau des Velonetzes.
Kopenhagen hat das Problem erkannt und eine sogenannte Verkehrswende eingeleitet. Die dänische Stadt hat angefangen, im grossen Stil die Velowege auszubauen und in der Verkehrsführung das Velo an die erste Stelle zu setzen. Davon profitiert die ganze Stadtbevölkerung.
Die Nutzung des Velos als Hauptverkehrsmittel wirkt sich auch wirtschaftlich positiv aus. Denn der Ausbau von Velowegen und Veloparkplätzen ist viel günstiger als der Strassenbau für Autos. Zudem werden die Gesundheitskosten gesenkt, weil sich Velofahrer:innen mehr bewegen und deshalb seltener krank werden. Und schliesslich bessert sich die Luftqualität, was gut ist für die Atemwege.
Mehr als 50% der Wege, die in einer Stadt zurückgelegt werden, sind weniger als 5 km lang. Das ist mit einem Fahrrad gut zu bewältigen.
Durch mehr Velofahrer:innen werden die Strassen für Velofahrer:innen sicherer. Es gibt Studien, die besagen Folgendes: Die Gefahr, dass Velofahrende mit einem Auto zusammenprallen, ist in denjenigen Jahreszeiten am höchsten, in denen nur wenige Velofahrer:innen unterwegs sind. Wenn im Frühling wieder mehr Velos unterwegs sind, sinkt das Risiko für Velofahrende, in einen Autounfall verwickelt zu werden. Aber das funktioniert auch nur bis zu einer gewissen Anzahl Velofahrender. Nimmt die Anzahl massiv zu, muss der Verkehrsfluss der Velos gut geregelt sein. Zum Beispiel mit Kreiseln, die eine eigene Velospur haben.
Lasten transportieren mit dem Velo – geht das?
Velos entwickeln sich laufend weiter. Mit dem zusätzlichen Schub eines kleinen Elektromotors sind auch in der hügeligen Schweiz ganz neue Fahrzeugtypen im Einsatz: Lastenräder. Schaue dir die Galerie unten an.
Wie du im Video gesehen hast, nahm der Anteil der Velofahrenden in den letzten 20 Jahren ab, vor allem in der Gruppe der Jugendlichen.